Bild

Bild

Montag, 29. Oktober 2012

Partei adé !

Der letzte Schritt ist gemacht: Hier mein Austritts-Schreiben aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Seit 1995 war ich dabei, auch als Ratsfrau und Fraktionsvorsitzende. Meine Gründe liegen in der Kommunalpolitik:


 

                                                                                                                     Gütersloh, 28.10.2012
Austritt aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen

Verehrte Grüne,

hiermit erkläre ich meinen sofortigen Austritt aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Ich gebe mein „Parteibuch“ zurück - mit Bauschmerzen, aber mit guten kommunal-politischen Gründen:



Seit nunmehr acht Jahren besteht das Bündnis „Plattform“ zwischen der CDU und den Grünen, in jüngster Zeit erweitert durch die UWG zur „Plattform +“. Mit dieser Art von Kommunalpolitik bin ich nicht mehr einverstanden. Diese Politik hat zu einer Verwässerung der grünen Positionen geführt, macht Grüne in der Regel zu rechnerischen Mehrheitsbeschaffern einer rein konservativen Politik. Da könnte ich faktisch gleich UWG wählen.

Transparenz
Aktueller Anlass ist die nicht-öffentliche Haushaltsklausur am 26. Oktober, die auch von Grünen mitgetragen wird und damit in krassem Widerspruch zum transparenten Format des Bürgerhaushaltes steht. Es ist kaum erklärbar, warum sich Grüne einerseits in Werberedebeiträgen für das Format stark machen, es aber inhaltlich so wenig voranbringen - das Format sogar mit dieser Inkonsequenz ad absurdum führen. Was für ein Signal geht da an die Bürger, wenn zu Beginn der Votingphase wiederum die politische Klasse hinter verschlossenen Türen tagt und nicht nachvollziehbar wird, welche Beschlüsse dort bereits getroffen werden?

Auch die fehlende Vorausschau, dass kaum Ausschusstermine für die Diskussionsphase zum BHH der Politik einberaumt wurden, kann man Grünen zum Vorwurf machen, denn sie haben nicht widersprochen: Der Terminplan bis zur Verabschiedung des Haushaltes war seit dem Sommer präsent und ist u.a. eine Folge der GrünenForderung nach frühzeitiger Haushaltsverabschiedung bereits im Januar. Ein Blitzbesuch der Grünen in der Bürgerinitiative „Demokratie wagen!“ kann diese Entwicklung nicht wettmachen, wenn auch dort von Grüns versprochen wird, einen Antrag auf eine Sondersitzung des Hauptausschusses zu stellen. Wobei das Versprechen nicht einmal unbedingt einlösbar ist noch bis jetzt überprüfbar.

Beteiligung
Grüne haben sich immer wieder auf die Fahnen geschrieben, die Partei der Bürgerbeteiligung zu sein. Das war mir immer ein besonderes Anliegen, seit ich seit 1995 für die Grünen Politik gemacht habe. Ein erkennbares Engagement der Grünen in diesen Fragen kann ich in Gütersloh nicht mehr erkennen, weder in Fragen der Beteiligung bei der Konversion noch an anderer Stelle. Dieser Schwerpunkt scheint bei „Grüns in Plattform +“ komplett über Bord gegangen zu sein; insbesondere mit Blick auf die offen beteiligungsnegierenden Wortbeiträge der politischen Plattformpartner, denen an keiner Stelle erkennbar widersprochen wurden.

Energie
Die Energiebilanz in Fragen regenerativer Energie in GT ist verheerend, wenn man bedenkt, dass Grüne seit 1999 einen Vertreter im Aufsichtsgremium der SWG etabliert haben sowie seit einer Wahlperiode eine Landtagsabgeordnete in NRW entsenden konnten. Der Anteil an Atomstrom ist in Gütersloh sogar deutlich höher als der im Durchschnitt in der Bundesrepublik.
Auch die hochgepriesenen Zertifikate halten einer genaueren Prüfung kaum stand, ebenso liegt ein großes Potenzial an Geld und Ideen brach, wie der Bericht der Volksbank belegt.
Unbesonnen war m.E. auch der Vorstoß der Grünen, in Fragen der Neuausrichtung der SWG einen fraktionsübergreifenden Antrag der Ratsfraktionen aus dem Hut zu zaubern, ohne die beteiligten Initiativen, die maßgebliche Impulse für diese Wende in der Energiepolitik gegeben haben, in irgendeiner Weise zu berücksichtigen. Der Umgang mit der Basis der Grünen lässt deutlich erkennen, wie sehr sich gewählte Grüne im Volksparteienspektrum eingerichtet haben.


Bildung
Der Kompromiss über die Modellschule in Gütersloh ist ein Fehler. Diesen haben Grüne deutlich mitgetragen und damit ihre Vorstellungen aufgegeben, was Chancengerechtigkeit bei Kindern angeht. Grüne folgen hier dem Credo der konservativen Kräfte in der Stadt, die diese Schule ohne weitere städtische Finanzierung aufgebaut sehen wollen.

Den Antrag auf eine Gemeinschaftsschule mit Oberstufe hat man innerhalb einer halben Stunde zurückgezogen und sich in Folge dem politischen Mainstream angepasst – obwohl das Land NRW deutlich gemacht hat, diese Fragen seien auf kommunaler Ebene zu entscheiden. Der so gegebene Spielraum ist nicht genutzt worden, sondern auf dem Altar der Plattformpolitik gelandet, die ein mehrgliedriges Schulsystem nach altem Muster favorisiert.
Gleichzeitig hätte ich mir einen Konsens über den Vorschlag der SPD gewünscht, die sehr mutig die Erhöhung der Gewerbesteuer mit der Bindung an die Finanzierung der Bildungspolitik in Gütersloh eingebracht hatte. Die Idee war richtig – nur der Ideengeber war falsch und daher musste man mit der Plattform stimmen?

Urwahl und Kandidatenkür OWL
Das führt mich zu der Kritik an der Wahl des grünen Bundestagskandidaten, der es schuldig bleibt zu erklären, warum er auf Bundesebene für rot-grün kämpfen will, während er in Gütersloh seit Jahren für schwarz-grüne Kommunalpolitik die Hand hebt. Wie kann diese Form der multiplen Politikgestaltung in einer Person stattfinden ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren?
Suspekt bleibt mir auch die Art und Weise der grünen Kandidatenaufstellung OWL-weit: die Listen wurden bereits lange vor der Kreismitgliederversammlung auf Bezirksebene festgelegt, die Basismitglieder konnten lediglich ein Ergebnis abwinken. Das ist nordkoreanischer Politikstil – und nicht meiner.
Zudem steht diese bürokratische Schnellabstimmung in krassem Widerspruch zu dem, was uns gerade auf Bundesebene zur Urwahl des grünen Personals vorgemacht wird. Wie passen diese beiden Ansätze zueinander?

Der Einwand, ich hätte mich gerne längst wieder in der Fraktion oder Partei einbringen können, ist unerheblich. Ich habe grüne Politik als Bürgerin und Konsumentin verfolgt. Auch das ist erlaubt, wenn man ein Parteibuch hat, es verpflichtet nicht nur zur aktiven Teilnahme an Parteisitzungen. Aber auch als passives Mitglied darf man eine Meinung formulieren, was ich in Form von Leserbriefen in zahlreichen Blogbeiträgen und vielen Gesprächen sowie als Mitglied in der Bürgerinitiative „Demokratie wagen!“oft genug gemacht habe.

Um Missverständnissen vorzugreifen: ich werde mich zukünftig in keiner anderen Partei engagieren. Mein Blickpunkt bleibt der des Beobachters, was ich auch weiterhin in meinem Blog „Blickpunkt aus Gütersloh“ betreiben werde.

Zu guter Letzt noch das Formale:
Gleichzeitig mit diesem Schreiben widerrufe ich meinen Abbuchungsauftrag zum Einbezug meines Mitgliedbeitrages mit sofortiger Wirkung.

Mit besten Grüßen
AK

4 Kommentare:

  1. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Entscheidung, es ist die Richtige!

    Von einem schon immer parteilos Kämpfenden

    AntwortenLöschen
  2. Danke. Lang mit angesehen, wie Grüne Positionen zerrinnen. Und die Macher am Ruder schauen nicht hin oder wollen nicht. Dann besser ohne mich. So bin ich frei!

    AntwortenLöschen
  3. Herzlichen Glückwunsch, eine vernünftige Entscheidung!
    Eine Partei mit klaren und manifestierten Positionen ist beispielsweise Die PARTEI. Da gibt es noch echte Basisdemokratie.

    AntwortenLöschen
  4. Dieser Beitrag erreichte mich als mail unter Anonym, konnte aber die Kommentarfunktion des Blogs nicht einhalten, daher wurde ich gebeten, dass selbst einzustellen:

    Gut so, Anke. Die Begründung stimmt meiner Meinung nach total und ist sachlich und nachvollziehbar. Ob dieser Schritt aber von den 'kleinen' Parteimitgliedern erfahren wird, bezweifele ich. Und sicher werden viele Bündis90/GRüne im Aufsichtsrat der SWG, im Rat und im Kreistag eher über diesen Schritt erfreut sein...Ändern wird sich vor Ort in GT auf
    absehbarer Zeit, denke ich, nix.
    Seinerzeit war ich aus der SPD ausgetreten und nie wieder in eine Partei eingetreten.
    Lasst uns als 'APO' die Politik vor Ort weiterhin kritisch begleiten...

    AntwortenLöschen