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Dienstag, 22. Mai 2012

Colin Crouch: Es gibt uns etwas zum Nachdenken.

Ich nehme heute einen Beitrag von Christine Wetzel auf meine Blogseite, die den Beitrag von Colin Crouch zusammengefasst hat: 

Colin Crouch sprach in seinem Eröffnungsvortrag über „Neue Formen der Partizipation als Markenzeichen der Postdemokratie“. Grundsätzlich ist aus seiner Sicht eine Analyse des Verhältnisses von Markt, Zivilgesellschaft und Staat. Crouch warnte davor, das Verhältnis von Markt und Staat als simplifiziertes Nullsummenspiel zu sehen, bei dem mehr Markt immer weniger Staat bedeutet und umgekehrt. Stattdessen würden sie sich gegenseitig bedingen und brauchen. So könne man zum Beispiel auch argumentieren, dass die Finanzkrise dafür gesorgt habe, schlechte Regierungen oder nicht sehr demokratische Regierungen abzusetzen (wie in Italien oder Griechenland). „Crisis inspired civic society”, sagte Crouch. “That gives us something to think about.“






Colin Crouch auf dem Bundeskongress, Foto: Knopp



Er schlug vor, zwei viel zitierte und viel kritisierte Aussprüche von Margaret Thatcher und Angela Merkel neu zu denken: Zunächst griff er Merkels Aussage von der „marktkonformen Demokratie“ auf [Anm. d. Red.: Im Wortlaut sagte sie „Wir leben ja in einer Demokratie und sind auch froh darüber. Das ist eine parlamentarische Demokratie. Deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments. Insofern werden wir Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist, also dass sich auf den Märkten die entsprechenden Signale ergeben."]. Die entscheidende Frage sei hier, wie dieses Verhältnis zu deuten sei: Konstruieren Märkte eine Realität mit der wir umgehen müssen? Oder strafen uns die Märkte, wenn wir nicht ihren Regeln folgen?
Und zum Verhältnis von Markt und Gesellschaft sagte Margaret Thatchers nicht nur den berühmt gewordenen Satz „There is no such thing as society.“, sondern weiter: „There is living tapestry of men and women and people and the beauty of that tapestry and the quality of our lives will depend upon how much each of us is prepared to take responsibility for ourselves and each of us prepared to turn round and help by our own efforts those who are unfortunate.“ In gewisser Weise hätte Thatcher damit Recht, vor allem jedoch verweise sie auf die Tatsache, das ‘die Gesellschaft’ kein Ding, nicht einfach da ist, sondern von Menschen gestaltet werden muss.
Crouch sieht die Auswirkungen der Märkte dabei durchaus sehr kritisch. Die Gefahr bei Thatchers Logik – die gewissermaßen Märkte und Zivilgesellschaft dem Staat gegenüberstellt – sei eben, dass Markt und Zivilgesellschaft verschwimmen, gleich betrachtet werden. Zivilgesellschaftliche Organisationen könnten jedoch nicht mit kommerziellen Firmen in freien Wettbewerb stehen, ohne zu verlieren.
Das Agieren der Märkte dränge Politiker zudem, panisch und überhastet zu reagieren, aber beförderenicht good governance und good democracy. Deshalb sei es schwierig zu sagen, Demokratie sollte konform gehen mit dieser Art von Markt. Die Kritik seitens der Politik – dem Protest der Straße mangle es an Legitimation, er habe keine transparente Beteiligungsstruktur – könne zudem auch gegenüber den Märkten erhoben werden. Die Krise konfrontiere uns mit der Frage, ob wir darauf vertrauen können, dass die (formelle) Demokratie wie sie ist, funktioniert. „Otherwise we have to go to the street!“
Diese Argumente – und damit auch der Protest gegen die formelle Parteiendemokratie – seien jedoch nicht neu, sagte Crouch mit Verweis auf die 68er Bewegung. Die zentrale Kritik lautete, die politische Führung sei „actually terrified of autonomous participation“. Auch der Zwang zu schmerzhaften Kompromissen, bringe Menschen dazu, nach Partizipationsformen außerhalb der formellen Strukturen zu suchen.
Allerdings seien zwei neue, starke Gründe für politisches Engagement außerhalb der formellen demokratischen Beteiligungsstrukturen hinzugekommen: Erstens, stellten die deregulierten globalen Finanzmärkte Herausforderungen für die formelle Demokratie dar, der sie – national organisiert – nicht adäquat begegnen könnten. Diese Asymmetrie ist eine Schwäche der formellen, demokratischen Strukturen gegenüber den Finanzmärkten. Zweitens, ist der formelle Politikbetrieb zunehmend von (finanz-)starken Lobbyisten dominiert.

Der Raum des Politischen habe sich dadurch geöffnet, dass viele, die sich bisher nicht als politisch verstanden haben, mobilisiert wurden, durch die Erfahrung, dass die Märkte immer mehr Bereiche des Lebens betreffen. Crouch nannte hier als Beispiel die Debatte um den öffentlichen Zugang der Wälder in Großbritannien, der viele bislang unpolitische Menschen und Gruppen mobilisierte. Ihr Protest gegen die Ökonomisierung verschiedener Lebensbereiche mache sie zu politisch Handelnden außerhalb der etablierten Parteistrukturen. „This is very healthy and vigorous for our democracy.“

Schließlich widerspricht Crouch dem Lamenti von der Politikverdrossenheit junger Menschen: Junge Menschen seien keineswegs desinteressiert und selbstsüchtig. Crouch zufolge sehen sie nur , dass ihnen die formellen demokratischen Strukturen nicht die Möglichkeit bieten, die Dinge, die sie interessieren, anzugehen. Daher suchen sie nach neuen Wegen, sagte Crouch – und schloss mit den Worten „Thatchers tapestry is coming to life!“

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