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Samstag, 5. Februar 2011

Julia und Nicht-Romeo

Gestern Nacht stand ich kurz vor Mitternacht an verabredeter Stelle. Nein, kein Rendez-vous. Ich wollte meinen Sohn abholen. Es war ziemlich dunkel in der Straßenzeile. Der Wind fegte durch die Gasse. Laub und Müll flogen durch die Luft wie Geisterspielzeuge. Vor Müdigkeit konnte ich kaum noch meine Augen offen halten. Aber ein versprochener Fahrdienst ist eben ein Versprechen. Das kennen wohl Millionen Mütter auch: für die lieben "Kleinen" fährt man gerne auch um die halbe Welt. 

Um mir die Zeit zu vertreiben, zählte ich rückwärts von 100 bis Null als Ziel. Bei 76 angekommen, wurde plötzlich die Beifahrertür aufgerissen - mein Sohn konnte es nicht sein, den hätte ich von vorne kommend sehen müssen. Blitzschnell saß dieser Jemand neben mir auf dem Fahrersitz mit den Worten "Oh Schatz, ich wusste, dass Du mich retten würdest...." Die Wagentür fiel ins Schloss zurück. Adrenalin pur, mein Blut stockte in den Adern. Gedanken konnte ich nicht denken. Dann sehen wir uns direkt in die Augen: Eine mir völlig unbekannte junge Frau und ich. Mitten in der finsteren Nacht. Unvermittelt zusammen in meinem Auto.
Ihr ging es genauso wie mir: Panik. Sie zuckte zurück, ich zuckte zurück. "Oh", schrie sie. "Ähm", sagte ich. "Oh Gott", kam es wiederum von ihr. Ich erholte mich langsam: "Ich bin sicher nicht ihr Schatz - und retten muss sie wohl ein anderer." "Ich hab´mich total vertan. Schuldigung", sprach síe und riss die Tür auf, um genauso schnell wieder auszusteigen, wie sie eingestiegen war. 

Ratlos und mit dem Gefühl, ich hätte geträumt, schaute ich einen Moment auf die dunkle Strasse vor mir. Dann öffnete ich die Fahrertür und stieg aus. Suchte nach der zu rettenden "Julia", die fälschlicherweise in mir ihren Romeo gesehen hatte. 

Sie stand vor einem Hauseingang und kramte einen Schlüssel aus der Tasche. Wohnte sie dort? Vermutlich hatte sie aus dem Fenster geschaut und mich verwechselt. Liebe macht blind, dachte ich und sprach sie an: "Meine liebe Julia, vielleicht sollten sie das nächste Mal besser aufpassen, zu wem sie sich ins Auto flüchten. Muss ja nicht immer ein Romeo oder eine Mutter drin sitzen." Keine Antwort. Verlegenes Grinsen, ein Blick zu Boden und schon war sie im Hauseingang verschwunden. Eine Sekunde später ging die Hausbeleuchtung aus. Dunkelheit umgab mich. Ich stieg wieder ein. Verriegelte diesmal die Tür von innen. Wenige Minuten später kam mein Fahrgast. "Was ist los?", fragte er mich. "Nichts", war meine Antwort. Immer noch blass um die Nase. "Ich habe nur gerade ein Gespenst gesehen. Das hieß Julia." Vor mir fegte der Wind das alte Herbstlaub vom Vorjahr in kleinen Wirbeln über den Asphalt.

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