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Montag, 2. Dezember 2013

GroKo und Mitgliedervotum reicht bis Gütersloh

Die mögliche Große Koalition (GroKo) spannt Deutschland auf die Folter. Zumindest der Entwurf für den Koalitionsvertrag "Deutschlands Zukunft gestalten" für die 18. Legislaturperiode liegt vor. Auf 185 Seiten formulieren CDU, CSU und SPD ihr künftiges Programm. Bevor auch nur eine Zeile davon politisch wirksam werden kann, hat die SPD ihren Mitgliederentscheid gesetzt: die SPD-Basis soll anhand der Inhalte entscheiden, ob oder ob nicht koaliert wird. Das ist eine Frage, die auch in Gütersloh entschieden wird. 



 
 Noch im Spätsommer hatte die SPD erklärt, es liege in der Hand des Wählers, wie die politische Landschaft künftig aussehen werde. Am 22.9.2013 war entschieden: CDU/CSU 41,5 Prozent, SPD 25,7 Prozent. Seit dem übt sich eine Handvoll Politiker dieser Parteien in der Regierungsfindung, während die gewählten Volksvertreter im Dt. Bundestag die Rolle des Zuschauers einnehmen. Mit dem Koa-Vertrag liegt es nun nicht mehr in der Hand aller Wähler. Aufgrund der zwingenden Bindung an das SPD-Mitgliedervotum liegt die Entscheidung nur noch in der Hand von 477.037 Mitgliedern der SPD. Stimmen mindestens 20 Prozent von ihnen ab, gilt das Ergebnis. Es müssen also 95.474 Mitglieder eine Meinung ABGEBEN. Die stimmen nun nicht alle gleich: Eine Mehrheit für Ja oder Nein ergäbe sich bei 47.738 Mitgliedern. Dem stehen 61,8 Millionen Wahlberechtigte in Deutschland gegenüber, bei einer Wahlbeteiligung von 71,5 Prozent.

Ob dies verfassungskonform ist und ob das Basisdemokratie ist oder ein 2-Klassenwahlrecht wurde bereits sehr prominent kritisch diskutiert. Das Interview zwischen SPD-Vorsitzendem Sigmar Gabriel und Marietta Slomka, Jorunalistin im ZDF-heute-journal ist bekannt, die Begriffe "Quatsch" und "Blödsinn" sind nun ebenso irgendwie mit Basisdemokratie verbunden, wie seinerzeit Frauenpolitik mit "Gedöns".




Vorweg genommen: Basisdemokratie ist gut und richtig. Ist das aber noch Basisdemokratie, wenn nur ein Teil der Gesellschaft abstimmen kann, wie Deutschland künftig regiert wird? Auch die Parteien CDU und CSU bemühen für ihre Absegnung nur kleinste Gremien. Die Frage stellt sich also generell: es gibt bisher kein geregeltes Verfahren, wie Koalitionen zustande kommen, wieviel Zeit gegeben ist und wer an den Verhandlungen teilnehmen muss.

Bei aller Diskussion über Staatstheorie und Verfassungsmäßigkeit: Es tut "der" Politik im allgemeinen nicht gut, wenn eine Regierungsbildung zwischen zwei Volksparteien entsteht, die eine gelingende Oppositionsarbeit schon an den nicht erreichbaren Quoren etwa zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses scheitern lässt. Als erster politischer Akt "der Großen" wurden dann auch gleich "Posten" geschaffen, als sich der Dt. Bundestag konstituierte und die Vize-Präsidenten aufgestellt wurden: jeder der Großen bekam zwei Vertreter anstatt einen. Und auch über die Einrichtung eines "Hauptausschusses" muss man streiten.

Grundsätzlich fehlt ein Gesetz, wie Koalitionen zustande kommen, in welchem Zeitraum und in welcher Besetzung. Warum sollte das zukünftig nicht IM Parlament diskutiert werden müssen, durch die, die vom Volk gewählt sind? Das sieht auch der Berliner Staatsrechtler Christian Pestalozza ähnlich, er sieht das Problem weniger im Mitgliedervotum, sondern darin, dass die Parlamentarier den Vertrag nicht selbst ausgehandelt haben, an den sie sich dann halten sollen, wie auf Seite 185 formuliert ist. Der Koa-Vertrag ist zwar nur eine Absichtserklärung der Parteien, er ist rechtlich nicht bindend. Im Grunde bleibt jeder Volksvertreter "nur seinem Gewissen verpflichtet" - das widerspricht allerdings der innerparteilichen Tradition der Kandidatenkür: Einmal quergeschwommen, schnell ist die Parteikarriere perdu.
 
Zurück zur SPD. Hier wird jetzt fleißig diskutiert, bevor am Stichtag, dem 12. Dezember bis 24 Uhr die Stimmauszählung erfolgt. Aber diskutiert wird ohne Öffentlichkeit, hinter verschlossenen Türen. Auch in Gütersloh lädt die SPD am 4. Dezember zu einer Kreismitgliederversammlung ein, in der der Koalitionsvertrag diskutiert wird. Wie man in anderen Kreis- und Ortsverbänden zumindest via Social Media (facebook und twittern darf die Basis schon) verfolgen kann, stimmen die Mitglieder in diesen Runden schon mal in kollektiven "Probeabstimmungen" ab...  vom gefühlten mehrheitlichen "Nein" ist mittlerweile ein Schwenk zu "Ja" erkennbar.

Doch am Ende sind es nicht die Kreis- oder Ortsverbände, die entscheiden. Am Ende sind die Parteimitglieder ganz alleine mit ihrem Stimmzettel und ihrer Entscheidung. Jedes Mitglied erhält seine persönlichen Abstimmungs-unterlagen durch die Partei per Post nach Hause. Dort kann jeder JA oder NEIN ankreuzen und den Stimmzettel an die Parteizentrale zurückschicken. Auszählen wird übrigens durch die "gesamte Partei". Die Auszählung erfolge unter Aufsicht einer von den Landes- und Bezirksverbänden entsandten MPZK (Mandatsprüfungs- und Zählkommission) mit hunderten Ehrenamtlichen unter notarieller Aufsicht in Berlin. Freiwillige könnten sich bei Interesse an ihren Landesverband oder Bezirk wenden.




http://img.morgenpost.de/img/berlin-aktuell/crop122384487/3128721786-ci3x2l-w620/Mitgliedervotum-Stimmzettel-SPD-Grosse-Ko.jpg
Bild: Google

Ein Zurückverfolgen der Entscheidung sei nicht möglich. Das schreibt Felix Eggersglüß auf Nachfrage, ob man denn erfahren könne, wie welcher Ortsverband abgestimmt hat.

Hans Feuß, SPD-MdL in NRW für Gütersloh hat irgendwann mit twittern aufgehört. Aber Radio Gütersloh twittert ein Interview mit Hans Feuß, in dem er noch offen lässt, wie er sich dazu positioniert.
Und Christina Kampmann, MdB aus Bielefeld und auch für die SPD in Gütersloh aktiv, weil nach dem Ausscheiden von Klaus Brandner kein GT-SPD-Kandidat mehr in Berlin vertreten ist, twittert:
Auf der offiziellen Homepage der SPD in Gütersloh findet sich zum Koalitionsvertrag nichts, außer der Terminankündigung zur Diskussion. Auch findet sich nichts zur Mitgliederzahl der SPD Gütersloh oder des Kreises Gütersloh. (Das aber stellt keine Partei ins Netz!)

Nun entscheiden sich die (Gütersloher) Parteimitglieder und üben damit eine große Wirkung aus. Wenn auch das Verfahren hinterfragt werden muss. Eines bleibt:
Wenn das Mitgliedervotum bindend ist und damit die innerparteiliche Partizipation gestärkt wurde, wird anschließend zu beobachten bleiben, wie sich diese Partizipation in Zukunft auf die Partei auswirkt. Einmal gefragt..., das zieht Begehrlichkeiten nach sich. Etwa, wie die Abgeordneten damit umgehen, wenn der Vertrag rechtlich nicht bindend ist... Oder aber zukünftig Politik ohne die Basis betrieben wird. Und wenn die SPD nun der eigenen Klientel Basisdemokratie verschrieben hat, wie steht es dann mit Basisdemokratie in Stadt, Land, Bund?

Gerne demnächst weitergedacht....

P.S. Was sagt eigentlich der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück dazu? "Sie haben es in der Hand...!" und "ich stehe nicht als Minister unter Merkel zur Verfügung." 











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