Bild

Bild

Freitag, 4. Oktober 2013

21 für 80 Millionen - ist das demokratisch?

Die Bundestagswahl ist gelaufen. Der Wähler ist nun wieder dahin zurückkatapultiert, wo er in der Regel immer ist - vom Spielfeld zurück auf die Zuschauertribüne. Dabei hat er der gewählten Politik eine große Aufgabe überlassen: die Regierungsbildung. Diesmal doppelt so schwer, nachdem die politische Spielwiese deutlich verschoben ist. Das große Strategie-Spiel "Wer mit Wem?" hat begonnen, welche Koalition regiert künftig?An diesem Spiel aktiv teilnehmen werden aber wieder nur ganz, ganz Wenige - und viele ohne Mandat. Derzeit nur 21 für rund 80,5 Millionen Einwohner.

Das ist im Grunde nicht mehr demokratisch.         


Warum?


                                                 Verwählt?                          Foto ak 2013



Wer ist "drin"?

Der künftige Deutsche Bundestag hat viele Probleme zu lösen: Krieg, Finanzkrise, Europa, Soziale Spaltung, Klima, Zuwanderung. Gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, die breit diskutiert werden müssen, zu Haltungen und Konsequenzen für uns alle führen werden. Ist das noch demokratisch, wenn nur einige Wenige die Weichen dafür stellen werden? 

Ich finde nein.

21 Personen führen zur Zeit "Sondierungsgespräche". "In ist, wer drin ist", titelt dazu die FAZ. 
Sondierungsgespräche sind möglichen Koalitionsgesprächen vorgelagert, es wird ausgelotet, was geht und was nicht. Und zu welchem Preis wohl auch.

"Drin" sind jeweils 7 Kandidaten der CDU, CSU und SPD.

Für die CDU sind das: Angela Merkel, Ronald Pofalla, Volker Kauder, Wolfgang Schäuble, Volker Bouffier, Stanislav Tillich, Hermann Gröhe. Für die CSU sind das: Horst Seehofer, Alexander Dobrindt, Gerda Hasselfeld, Hans-Peter Friedrich, Peter Ramsauer, Ilse Aigner und Barbara Stamm. Für die SPD sind das: Sigmar Gabriel, Frank-W. Steinmeier, Peer Steinbrück, Andrea Nahles, Hannelore Kraft, Olaf Scholz und Manuela Schwesig.

Gewählte entscheiden nicht  
 
Nun haben die Wähler zwar gewählt -  und zwar Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Die obigen Verhändler aber haben längst nicht alle ein Mandat für den Bundestag. Von der CDU sind das nur vier; Bouffier, Tillich und Gröhe haben keins, sie sind als Ministerpräsidenten und als Funktionäre im Rennen. Für die CSU sieht das noch deutlicher aus: Seehofer, Hasselfeld, Aigner und Stamm sind nicht im Deutschen Bundestag, sondern ureigens in Bayern aktiv, also haben von sieben sogar vier kein Mandat. Bei der SPD haben drei von sieben kein Mandat: Kraft, Scholz und Schwesig, alles Landesgrößen der Parteien. Zehn von 21 Unterhändlern standen also auf keinem Wahlzettel für die Bundestagswahl 2013. Rund 48 Prozent der Unterhändler vertreten also den Wählerwillen NICHT.
  

Noch weniger Teilhabe

Mit einem Blick auf die sehr niedrige Wahlbeteiligung von 71,5 Prozent sowie auf den Verfall der Stimmen, die es nicht über die 5%-Hürde geschafft haben, auf den Wahlausschluss vieler Ausländer (die hier aber Steuern zahlen) reduziert sich die reale politische Teilhabe des Volkes eh schon auf ein historisches Minimum. Eine Reduzierung der Akteuer im Aushandeln künftiger Politik auf zunächst 21 bei Sondierungsgesprächen und anschließend auf vielleicht das Doppelte an Personen bei Koalitionsgesprächen lässt erschreckend erkennen: Wähler sind machtlos. Sie wählen zwar, bleiben real aber außen vor, sie entscheiden nicht über zukünftige Politik. Wahlkampf hin oder her. Ist das das Prinzip "Repräsentativität der Repräsentativität"? Das steht so in keiner Verfassung, etabliert sich aber jedes Mal deutlicher. Ohne Widerstand aus der Bevölkerung.
  

Keine Frage an die Wähler

Auch bei folgenden Koalitionsverhandlungen werden die Wähler nicht befragt, sondern bestenfalls Parteimitglieder. So etwa bei der SPD, die eine Mitgliederbefragung plant. Parteimitglieder hat die SPD rund 477 Tausend. Gewählt haben die SPD aber 12,8 Millionen qua Erststimme und 11,2 Millionen qua Zweitstimme. Diese Wähler werden NICHT befragt, in welcher Konstellation sie künftig SPD-Politik betrieben sehen wollen. Ähnliches gilt auch für die Grünen, die ihre Basisgremien befragen wollen, sollten sie zum Zuge kommen. Der Wähler zählt nicht. Kann das Zukunft haben, wenn die Parteien an Mitgliederzahlen immer weiter schrumpfen?


Warum nicht im Parlament? 

Wenn im Vorfeld immerzu beteuert wird, es gehe um "Inhalte", warum dann nicht öffentlich daürber reden? Wäre nicht das Parlament genau der Ort, um diese INHALTE auszutauschen, zu diskutieren, wo die gemeinsamen Schnittstellen liegen? Inhalte werden transportiert über "was will ich und wer will ähnliches, wie kommen wir zusammen - vor Publikum". In Fragen des Mindestlohns etwa ergäbe sich schon jetzt eine Mehrheit von rot-rot-grün, das wurde bereits in allen Wahlkampfreden deutlich. Wenn der nun nicht zustande kommt, kann es um Inhalte allein also nicht wirklich gehen. Es geht offensichtlich doch um Posten, Macht und Mehr. Siehe etwa die Aussage Klaus Wiesehügels, er habe nach wie vor einen Anspruch auf einen Ministerposten.


Kein Gesetz

Zudem gibt es kein Gesetz für die Bildung von Koalitionen. Diese obliegt ganz dem Gusto der Parteien, der parteipolitischen Gremien. Ist das noch zeitgemäß angesichts der immer wiederkehrenden Notwendigkeit, politische Vielfalt regierungsfähig zu gestalten? Braucht es nicht verlässliche Rahmenbedingungen für alle einsehbar und verabredet, die zumindest zeitliche Vorgaben machen? Noch besser wären allerdings Rahmenbedingungen für transparente Verhandlungen, die einen öffentlichen Diskurs ermöglichen? Eine Verabredung ohne taktische Spielchen?



                                            tradierte Intransparenz                              Foto ak 2013

 
Oder zumindest einen garantierten Blick in den Prozess der Entscheidungsfindung, wie etwa Stand der Dinge, Livemitschnitt, Zwischenergebenisse etc.? Koalitionsverträge sind außerdem rechtlich nicht einklagbar. Koalitionsausschüsse erlangen zudem einen Status eines informellen Entscheidungsorgans, welches dem Parlament nicht rechenschaftspflichtig ist. Das ist kaum verfassungskonform. So finden sich diverse Partikularinteressen in solchen Verhandlungen übermäßig stark repräsentiert. Die Intransparenz solcher Verhandlungen macht politische Lobbyisten stark und macht es Außenstehenden, wie den Bürgern, schwer, sich ein Urteil über diese Prozesse zu bilden. Natürlich können Verhandlungen auch hinter verschlossenen Türen stattfinden, das liegt gelegentlich in der Natur der Sache. Dennoch kann man gerade hier dieses Prinzip der geschlossenen Türen nicht als GRUNDprinzip belassen.
   
Eines werden diese taktischen Spiele Weniger auf Dauer und auf diese Art nämlich nicht vermögen: das Vertrauen der Bevölkerung zurückerlangen. Closed Shop-Veranstaltungen sind eher Nährboden dafür, den politisch Interessierten noch mehr von der Teilhabe abzuhalten. Wenn schon die Koalitionsverhandlungen so undurchsichtig sind, wie transparent und öffentlichkeitsverpflichtet kann dann erst Koalitionsarbeit sein?

Aber das hat der Wähler ja nicht gewählt.






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen