Bild

Bild

Samstag, 20. April 2013

Bürgerbeteiligung - demokratisch oder feudal?

Bürgerbeteiligung.

Die FDP formulierte im Planungsausschuss, zu viele Gutachten seien vergeben worden und - für Bürgerbeteiligung und Bürgerworkshops wurde in der Verwaltung zu viel Geld ausgegeben. In der Interpretation heißt das, diese Beteiligungsverfahren bringen nichts und am Ende lande alles in der Schublade, die bereits voll davon sei.

Mit der Bürgerbeteiligung scheint man in Gütersloh generell ein Problem zu haben. 

 
                           Bürgerbeteiligung - echt?                   Foto ak 2013

Warum haben Politik und Verwaltung regelrecht Angst davor? Alle führen sie im Munde, diese berühmte Bürgerbeteiligung - aber keiner will sie wirklich. Und dabei sollte sie Kernbestand des demokratischen Systems sein: 

 "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus", liest man im Grundgesetz Artikel 20, Absatz 2. Immerhin führen alle im Rat vertretenen Parteien und Gruppierungen diese "Beteiligung" irgendwie im Schilde, wenn es um Wahlen geht. Die FDP allerdings noch am wenigsten, das muss man ihr lassen, aber auch hier kann man nachlesen:

FPD, eigentlich für Beteiligung
Das Kommunalwahlprogramm (2009 - 2014) der FDP heißt: "Politik braucht Vertrauen! Liberale Politik verdient Vertrauen!" Große Worte. Im Kleineren geht es dann weiter mit:  "Jeder Mensch hat seine persönlichen Leistungsstärken. Entsprechend dieser Stärken ist jeder Bürger in das Leben der Stadt und den Arbeitsmarkt einzubinden. Die FDP will neue Konzepte für bürgerschaftliches Engagement beim Zusammenleben von Jungen und Alten, Starken und Schwachen, Bürgern aller Nationen und Religionen." "Die FDP fordert mehr Engagement der Bürger. Dies muss geweckt und gefördert werden."
Sie verweist sogar auf den Vorbildcharakter von Beteiligung: "Das Beispiel des Fahrradweges zwischen Herzebrock-Pixel und Gütersloh zeigt, wie eine Bürgerinitiative einen Radweg in eigener Regie, mit eigenem Geld, mit eigener Arbeit und in kurzer Zeit errichtet hat." Ferner ist zu lesen: "In neuen Baugebieten sollen die Straßen in Absprache mit den Anwohnern zügig und vollständig ausgebaut werden." "Die technischen Möglichkeiten des E-Governments sind konsequent zu nutzen." In Summe bedeutet das: Wenn Liberale Politik Vertrauen verdient, dann kann eine liberale Partei das erlangen, wenn sie sich in der Ratsperiode an das hält, was sie dem Wähler vor der Wahl versprochen hat.

Die Volksparteien wollen es auch
Das Bekenntnis zur Bürgerbeteiligung auf Papier ist dabei kein Einzelphänomen: Im Wahlprogramm der CDU heißt es auf Seite 14 unter Punkt IV, 1 "Mehr als Verwalten":  "Bürgerbeteiligung muss konsequent umgesetzt und berücksichtigt werden. Bürgermeinung wird ernst genommen." (Das Programm findet man allerdings nicht öffentlich auf der Homepage der Partei - das habe ich mir nach zähem E-Mailwechsel schicken lassen.) 

Die SPD sagt nichts Anderes - im SPD-Wahlprogramm findet sich unter der Rubrik: Kommunalpolitik als lebendige Demokratie: "Sozialdemokratische Kommunalpolitik ist gelebte Demokratie. Demokratie lebt von der Mitwirkung und der Beteiligung aller Einwohnerinnen und Einwohner. Ihr Engagement ist notwendig und erwünscht."

Bei den Grünen steht "0 Treffer beim Stichwort Kommunalwahlprogramm". Der Rest der Fraktionen im Rat steht den Volksparteien nicht nach, sie alle schreiben davon.

Wer aber kümmert sich drum?
Und trotz dieser Bekenntnisse in den Wahlprogrammen üben die Parteien sich am wenigsten in Beteiligung. Den Bürgerhaushalt werden sie in der kommenden Woche allesamt beerdigen, sie haben ja auch alle viele Schüppen Sand drauf geschmissen, um ihn schnell wieder los zu werden. Zudem haben sie viele Anträge der Initiative "Demokratie wagen" zur Beteiligung während der letzten Ratsperiode im Sande verlaufen lassen. Einen Bürgerbeteiligungsbeautragten als direkten Ansprechpartner wollte man auch nicht, das sei von Amts wegen schon die Bürgermeisterin. Selbst haben die Parteien auch keine Notwendigkeit gesehen, in Sachen Beteiligung kreativ oder einfach nur aktiv zu werden. Sogar
eigene Informationsformate gab es nicht.

So blieb nur ein Weg, diese heiße Kartoffel der Beteiligungswünsche seitens der Bürgerschaft so schnell wie möglich weiterzugeben. Und wer musste sie fangen? Die Verwaltung. Als ausführendes Organ bekam sie von der Politik den Auftrag "mach doch mal". Die Verwaltung führte also aus, einmalig - und die Politik ließ diese Einmaligkeit zu, sie hatte ja selbst kein Interesse, diese Beteiligungsverfahren zum Erfolg zu führen. Das wäre dann die Erklärung, warum so viele Dinge in der "Schublade" verschwinden: So landete der Bildungsgipfel in der Versenkung, man hat nie wieder etwas von ihm gehört. So landet auch der Bürgerhaushalt also in der Tonne; so landet auch die bürgerschaftliche Stellungnahme zur Konversion in der Schublade, denn in Zukunft tagt nur noch ein Lenkungskreis, also Schotten dicht für Bürger; so landet auch der Masterplan Gütersloh 2020+ für die Innenstadt in der Schublade einiger heimischer Architekten, die zukünftig damit Geld verdienen - aber der Bürger durfte nur mal eben als Statist dabei sein. Die Präsentation dazu ist bis heute nicht öffentlich.

Deformiertes Demokratieverständnis
Dabei lässt das Demokratieverständnis von Politik und Verwaltung auch sonst zu wünschen übrig: Da schließt die Stadtverwaltung gerne mal die Pforten des Rathauses, wenn zu viele Bürger davor protestieren und um Einlass zur öffentlichen (!) Ratssitzung bitten. So geschehen im Rahmen der Beratung zur Freiwilligen Feuerwehr und den Bäderpreisen.

Oder es wird schon mal ein Megaphon aus dem Rathaus gehalten und die Demonstranten vor dem Repräsentenhaus werden aufgefordert, nach Hause zu gehen, "die Demo ist nun zu Ende". So geschehen bei der Schüler- und Elterndemo gegen die Streichung der Schulbibliotheken.

So wird die Presse schon mal nicht eingeladen, wenn im Ortsverband gewählt wird. So werden viele Themen hinter verschlossener Tür behandelt, die sehr wohl von öffentlichem Interesse sind.

Eine Bürgerbeteiligungsbeauftragte sollte die Stadt auch nicht haben, dies sei schon von Amts wegen die Bürgermeisterin. Die Bürgermeisterin braucht Bürgerbeteiligung aber nur noch, wenn sie Statisten für ihre öffentlichen Auftritte sucht. Oder wenn sie zum 60. einlädt ins neue Theater und die Bürger der Stadt ihr dort huldigen dürfen. 

Alle fünf Jahre fürs Kreuz
Die Kommunal-Politik bräuchte Bürgerbeteiligung streng genommen nicht einmal mehr alle fünf Jahre zur Kommunalwahl - denn ein Großteil der Ratsleute, besonders die Funktionsträger, hält ihr Mandat bereits seit über 20 bis 30 Jahre fest im Griff. Es macht keinen Unterschied, ob zwischendurch gewählt wurde oder nicht, das Personal bleibt doch weitestgehend gleich.

Das hat streng genommen nichts mehr mit Demokratie zu tun, sondern mit Feudalismus.
Da hilft auch kein Vertrauen mehr, weder in liberale noch in sonst eine Beteiligungsverheißung.

3 Kommentare:

  1. Bürgerbeteiligung? Aber immer doch!

    Wer zahlt wird beteiligt.

    Wer mangels Geld nicht zahlt, wird nicht beteiligt.

    Wer noch etwas Geld hat wird sogar zwangsbeteiligt. Der Bürger darf dann mit seinem Spargroschen und seiner Rente marode Banken von einer Krise zur nächsten durchfüttern:
    http://www.n-tv.de/wirtschaft/Schaeuble-macht-den-Dijsselbloem-article10509951.html

    ---------------------------
    Fazit: Wer Geld hat, darf sich beteiligen!

    AntwortenLöschen
  2. Beteiligung, bei der am Ende immer wieder "alles in der Schublade" landet, verdient den Namen nicht.

    Geht man einmal davon aus, dass den politischen Akteuren grundsätzlich guter Willen zu unterstellen ist, dann handelt es sich hier vermutlich einfach um fehlende Beteiligungskompetenz:

    Welche Entscheidungen bieten sich überhaupt für sinnvolle Beteiligung an?
    Wie sehen die richtigen Verfahren aus?
    Welchen Mehrwert dürfen Bürger und Politik von dem Prozess erwarten?

    Wer diese Grundlagen nicht beherrscht, kann Beteiligung nicht erfolgreich umsetzen.

    Eine Verwaltung, die absehen kann, dass ein Beteiligungsverfahren nicht einmal den geringsten Qualitätsanforderungen genügen kann, muss entweder zuerst für die richtigen Grundlagen sorgen oder den Auftrag dankend ablehnen.

    AntwortenLöschen
  3. Vielen Dank @Tim Bonnemann. Diese Auffassung teile ich zuu 100 Prozent. Wir haben als Bürgerinitiative "Demokratie wagen" viele Anregungen dieser Art gemacht, auch, dass für einen Bürgerhaushalt bereits im Vorfeld Kriterien des Gelingens festgelegt werden müssen, dies von Politik und Verwaltung. Öffentlich. Leider ist dies nicht geschehen, wie so vieles in Fragen der Beteiligung nicht umgesetzt wurde. Die obigen Punkte nehme ich gerne nochmal in einem Antrag auf und auch im Blog. Danke!

    AntwortenLöschen