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Sonntag, 22. Juli 2012

IPads für K-Politiker - ein Bruchteil an Möglichkeiten

Papierlose Räte - durch Digitalisierung und das Internet:  Räte in Herzebrock-Clarholz und Verl haben es bereits eingeführt. In Gütersloh wird das schon seit Jahren so gemacht. In den beiden Kommunen Herzebrock und Verl werden nicht nur die Informationen online versendet, sondern die Politiker erhalten hierzu auch gleich Notebooks oder IPads - kostenlos von der Kommune. Die Kosten für diese Anschaffung werden den Kosten für Papier und Post gegenüber gestellt. 

Man kann sich nun darüber streiten, ob es notwendig ist, die technische Ausrüstung für die Kommunalpolitiker durch die Kommune bezahlen zu lassen oder nicht. Ich persönlich finde das einen Deut zu viel - immerhin ist heute fast jeder Haushalt mit dieser modernen Technik ausgerüstet - so bedarf es m.E. nicht noch der Dreingabe durch die Stadt. Und schon gar nicht vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage der Kommunen und dem sinkenden Verlust der Bevölkerung in die politische Klasse - gepaart mit dem Vorwurf, "die" bedienen sich zunächst einmal selbst. 

Vielleicht muss Politik aber auch einfach nur nachholen, was Verwaltungen eh bereits planen oder in Zukunft umsetzen wollen - oder müssen: Gerade Verwaltungen werden immer digitaler: im Zuge der Verwaltungsmodernisierungen steigt der Anteil der Informationstechnologie stetig an. 


... in der Welt der digitalen Möglichkeiten


Das bisher gefühlte Wissen wird durch die Studie "Branchenkompass 21012 Public Services" zahlenmäßig erhärtet: 100 Entscheider aus 100 großen deutschen Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen wurden dazu befragt. Mit dem Ergebnis, dass 87 Prozent der öffentlichen Verwaltungen bis 2014 in die elektronische Vorgangsbearbeitung investieren. Die Verbesserungen kommen im Dienstleistungssektor auch den Bürgern zugute, etwa beim Meldeamt oder in der KfZ-Zulassung. 
Hier muss man sich vergegenwärtigen, wer diese Studie verantwortet, es ist das FAZ-Institut und Steria Mummert Consulting, dann kann man weiterdenken: Mit der zunehmenden Digitalisierung einher geht auch die Frage des zunehmenden Outsourcings: viele Kommunen wollen ihre eigene IT-Dienstleistung an externe und damit private Anbieter auslagern. Das wird aber sehr selten öffentlich so thematisiert und diskutiert. Politik schweigt da gerne - aus Unkenntnis über den rasend schnellen Markt und der darin eigenen Ohnmächtigkeit?

Die technische Aufrüstung ist jedenfalls nur fordergründig ein gewaltiger Schritt in Richtung zunehmender Digitalisierung. Den rein technischen Voraussetzungen müsste zwingend auch der "Spirit" des Netzes folgen: mehr Inhalte, mehr offene Daten, mehr Dialog und Kommunikation, mehr Beteiligung. Vorteilhaft könnte daher der Trend des Outsourcings sein, dass Externe sehr viel mutiger an Digitialisierung herangehen und damit ungewollte Möglichkeiten der Öffnung schaffen, die auf politischem Wege kaum eine Chance hätten, weil diese Öffnungen eher Verlustängste produzieren und damit Innovation stillschweigend unterdrückt würde. 

So beleuchtet der Branchenkompass gleichzeitig, dass es neben der Verbesserung der Verwaltungsleistungen auch um eine Verbesserung der Bürgerbeteiligung gehen müsse. Dazu braucht es zunehmend technische Voraussetzungen, wie etwa Tools für einen Bürgerhaushalt oder Online-Dialoge. In Münster wurde gerade vor ein paar Wochen eine Fachtagung MEMO"Mitmach-Workshop" unter der Federführung der Westfälischen Wilhelmsuniversität durchgeführt. Das Motto:  „E-Government auf dem Weg zur vernetzten, prozessgesteuerten Verwaltung“. Die Universität Münster reagiert mit der MEMO-Tagung auf die verstärkte Nachfrage aus der Verwaltungspraxis nach methodisch fundierten und vor allem auch praktisch anwendbaren Modernisierungswerkzeugen. Hermann Hill, Universitätsprofessor aus der Verwaltungshochschule Speyer referierte zur Veränderung der Verwaltungstätigkeit
durch neue Methoden des Umgangs mit Information und kommt u.a. zum Schluss, "Der Staat konstituiert sich und entsteht jeweils neu durch informationelle Öffnung und Einbeziehung der
Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Indem diese sich verabreden und treffen, gemeinsame
Ziele suchen, einen Interessenausgleich herbeiführen, Maßnahmen entwickeln, etc. ereignet sich Staat."

Noch einen Schritt weiter - und damit über die bloße Theorie hinaus - geht der Landkreis Friesland: Hier sollen alle Bürger mitdiskutieren: Der Landkreis Friesland hat beschlossen, die von den Piraten bekannte Mitmach-Software Liquid Feedback einzuführen. Man will Vorreiter bei der Bürgerbeteiligung sein - im Kreistag stimmten alle Mitglieder für das Pilotprojekt. Das Projekt startet im November in einer einjährigen Testphase, genutzt wird eine modernisierte Variante des Liquid-Feedback 2:0.  Zum Er-Lernen des Mitmachen gibt es Kurse in der Volkshochschule, für Jedermann. 

Also: Eine simple Nachricht, dass eine Kommune kein Papier mehr an die politischen Entscheider versenden möchte, ist nur ein Sandkorn dessen, was sonst an einem ganzen Strand möglich ist - und in vielen anderen Kommunen bereits deutlicher geübt und favorisiert wird, als das bei uns in Gütersloh und den Nachbarkommunen der Fall ist. Schön wäre also die nächste Nachricht in der Lokalzeitung, wie es denn nun weitergeht. Dass IPads nur ein erster Schritt sein können, dürfte klar sein: Man darf das Ding nicht nur besitzen, sondern man muss es auch mit all seinen Möglichkeiten nutzen. Da ist die Aussage des Herzebrocker Bürgermeisters, Jürgen Lohmann, ein guter Hinweis: Die Grenzen zwischen Dienst und Privatleben seien längst fließend, meint er. So gewinnt also das kostenlose Geschenk an die Kommunalpolitiker auch einen positiven Aspekt hinzu: Kommunalpolitiker sind immer im Dienst (des Gemeinwohls). 



























 

2 Kommentare:

  1. Die verkannten Vorzüge der digitalen Verantwortungslosigkeit

    Experten schlagen Alarm: Die Deutschen mutierten zu Couchpotatos - einsam und nur noch im Web aktiv. Doch Digitaleinsiedler juckt das wenig, denn sie kennen die Vorzüge der Abkapselung.

    weiterlesen bitte hier:
    http://www.welt.de/kultur/article108344448/Die-verkannten-Vorzuege-der-digitalen-Einsamkeit.html

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  2. Die Autorin kennt sie doch: die Vorurteile und die Vorzüge. Und zählt sich zu denen, die wissen, wie man auch im Netz KOntakte pflegt. Das Virtuelle ist allemal ehrlicher als die lautstarken (Sauf)gelage, in denen das "Wir-Gefühl" doch allzu einfach nur suggeriert wird und oftmals lediglich dazu dient, um andere bewusst auszuschließen und sich selbst exklusiv als mit vielen Freunden gesegnet darzustellen. Diese Wagenburgmentalität haben Parteien auch gerne verinnerlicht.

    Ansonsten ist diese schwarz-weiß-Malerei doch eher lahm. Es gibt doch die Freiheit zu wählen.

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