Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat "Wutbürger" zum Wort des Jahres 2010 gekürt. Mich wundert das nicht - gefühlt musste am Ende des Jahres so etwas dabei herauskommen: Während wir die laufenden Bilder des Jahres 2010 fast täglich in irgendeinem Rückblick verfolgen können, bestätigt uns die Gesellschaft nun mal wieder in Wortform die tiefere Bedeutung. Für einen Vielschreiberling und eine Wortschätzerin wie mich ist die Wahl eines solchen Begriffes daher immer auch ein highlight des Jahres. Eine Supernova in der Milchstraße der Sprache.
"WUTBÜRGER": Offiziell heißt es, diese Neubildung wurde von zahlreichen Zeitungen und Fernsehsendern verwendet, um einer Empörung in der Bevölkerung darüber Ausdruck zu geben, dass politische Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden. Für die Auswahl der Wörter des Jahres war dabei nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks entscheidend, sondern vielmehr seine Signifikanz und Popularität: Die Liste trifft den sprachlichen Nerv des sich dem Ende neigenden Jahres und stellt auf ihre Weise einen sprachlichen Jahresrückblick dar, so erklärt die Gesellschaft ihre Wahl.
Besonderes glänzende Augen bekomme ich, wenn man den Ursprung der Wörter einmal näher betrachtet: So geht "Wut" als Substantiv (mhd.) auf wuot zurück, was so viel heißt wie "unsinnig". Daneben gibt es noch die Anlehnung an das altenglische "wod", was mit "Ton, Stimme, Dichtung" korrespondiert. Damit ist wohl auch der Göttername "Wuotan" verwandt, der wahrscheinlich eigentlich "rasender Gott oder Dämon" bedeutet. Die germanischen Wörter sind dann wohl verwandt mit lat. vates, also "Wahrsager, Seher oder Prophet". Diese Wortstämme allein zaubern mir schon ein Lächeln auf die Lippen. "Stimme der Wahrsager" könnte man wohlwollend zusammenfassen, wenn man einmal nicht streng wissenschaftlich vorgehen möchte. Alleine das lässt ja schon auf eine Fortsetzung von Begriff und Inhalt für das Jahr 2011 hoffen. Wenn ich dann nun noch den Begriff "Bürger" knapp gesagt auf den Punkt bringe, stand es zunächst in der Bedeutung von "Verteidiger"...
Liest man also das Wort des Jahres 2010 "Wutbürger" als Kompendium der beiden obigen Bedeutungen, ist sprachlich ein neuer Richtstern entstanden, der den politischen Kompass vielleicht neu einzunorden versteht.
Die Liste der insgesamt 10 gewählten Wörter findet sich hier:
1. Wutbürger | 6. schottern | |
2. Stuttgart 21 | 7. Aschewolke | |
3. Sarrazin-Gen | 8. Vuvuzela | |
4. Cyberkrieg | 9. Femitainment | |
5. Wikileaks | 10. unter den Eurorettungsschirm schlüpfen |
Auf die zweite Position wählte die Jury den Ausdruck Stuttgart 21. Die geplante Umwandlung des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof ist Gegenstand von Protesten, die weit über die Region hinausgehen. Auch Punkt vier und fünf und nicht zuletzt Nummer sechs lassen zumindest das Herz eines Jeden höher schlagen, der sich im Sinne der Wortursprünge angesprochen fühlt und für die Milchstraße interessiert. Mein Herz pocht.
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