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Sonntag, 20. März 2011

Bürgerbeteiligung ja - aber bitte nicht mehr anonym

  Beteiligung ja – aber nicht mehr anonym: Podiumsdiskussion zum Bürgerhaushalt

Am kommenden Freitag (25. März 2011) wird der Rat den ersten Bürgerhaushalt in Gütersloh verabschieden. Was aber steht konkret für die Bürger unter dem Strich? Diese Frage war Anlass für die Bürgerinitiative „Demokratie wagen“, den Gütersloher Fraktionen abschließend auf den Zahn zu fühlen, wie die Politik diesen ersten Durchgang bewertet.

Alle waren sie der Einladung gefolgt. Es war ziemlich eng auf dem Podium, als sich die sieben Politiker der im Rat vertretenen Fraktionen in einem Halbkreis zusammenfanden: Thomas Ostemann (SPD), Markus Kottmann (CDU), Norbert Morkes (BfGT), Peter Kalley (UWG), Hans-Dieter Krause (FDP), Ludger Klein-Ridder (Die Linke) und Marco Mantovanelli (Grüne) stellten sich den Fragen der Inititaive und der nur spärlich anwesenden Bürgerschaft.

Erstaunt hat es keinen der Sieben, dass über 300 Vorschläge aus der Bürgerschaft eingegangen sind. Allerdings stand die Zahl der Vorschläge zur Diskussion: Peter Kalley etwa bestritt, dass es so viele waren, er verwies auf die Mehrfachnennungen und sogar Leerstellen. Sein "Parteikollege", die UWG ist ja keine Partei, Dr. Ahlert entrollte gar ein Poster mit einem "Beteiligungsgraphen", der minutiös belegen soll, wie mitgemacht wurde und vor allem wer. Mir war die wissenschaftliche Grundlage allerdings schleierhaft, denn die Daten dazu waren anonym und die Frauenhofergesellschaft hat hierzu keine Daten herausgegeben.
Thomas Ostermann dagegen formulierte deutlich, es habe vielmehr neue Anstöße zur politischen Diskussion gegeben, die inhaltlich sehr konträr diskutiert worden seien. Ein Stück gelebte Demokratie in einer Kommune. Hans-Dieter Krause hob hervor, dass einige Ideen aus der Bürgerschaft auch deutliche Indizien für das Missverständnis zwischen Politik und Bürgerschaft verdeutlichten, etwa wenn es um die Zuschüsse zur Fraktionsarbeit gehe oder aber um angeblich kostenfreies Parken vor dem Rathaus für die Politik. An diesem Punkt entwickelte sich eine muntere Diskussion über die vermeintliche "Politikverdrossenheit", die der Bürgerschaft attestiert werden könne. Dem entgegen stand die Replik aus der Bürgerschaft, es gebe keine Politikverdrossenheit, sondern vielmehr eine Parteienverdrossenheit. Dieser Deutung konnte sich die versammelte politische Mannschaft anschließen - wenn auch zähneknirschend.
Kritisch  wurde zudem die Qualität einzelner Nennungen und die Dopplung der Vorschläge im Bürgerhaushalt bewertet. Norbert Morkes erklärte, die Politik sei damit überfordert, die vielen Vorschläge in der Kürze der Zeit aber mit der gebührenden Ausführlichkeit zu diskutieren. Seine Aussage erntete keinen Widerspruch. Dass sich die Politik der Aufgabe durchaus gestellt habe, zeige auch die Liste der knapp 78 zusätzlich (zu den Top-30 des Bürgerhaushaltes) von den Fraktionen eingebrachten Vorschläge aus der langen Liste der Bürgerideen, so die Meinung der Aktiven. Mit der Ausnahme, dass die FDP und die UWG hier keine Auswahl getroffen haben - wer allerdings welche Vorschläge nachgereicht hat, bleibt offen. Lediglich die Nennungen, die den Planungsausschuss betreffen, sind nach einbringender Fraktion gekennzeichnet. (Nachlesbar in den Protokollen.)

Schade sei die Tatsache, dass es keine Übersicht über das abschließende Abstimmungsverhalten der Parteien auf der Onlineplattform selbst gebe, bemerkte ein Bürger. Hier sei noch eine Menge Nachholbedarf nötig, um die Rechenschaftsphase des Bürgerhaushaltes transpranet zu machen. „Die Bürger wollen schließlich auch wissen, was aus ihren Ideen geworden ist“, so die (sehr berechtigte) Forderung.

Der Bürgerhaushalt war in seinem ersten Durchlauf ein Experiment, so der Tenor aller Kommunalpolitiker. Ob es im nächsten Jahr einen zweiten Durchlauf gebe, hänge entscheidend davon ab, ob sich die offensichtlichen Mängel beheben lassen, so Kottmann. Einen Mangel sah er in der Annonymität der Nutzer. Diese dürfe es in einer zweiten Runde nicht wieder geben, so sein Ansatz. Dem schlossen sich die Vertreter der Grünen, der UWG, der FDP und auch der BfGT an. Die Grünen forderten zumindest die namentliche Nennung von Politikern, die sich als Nutzer am Bürgerhaushalt beteiligen.

Ein Bürger fragte, was den Güterslohern denn der Bürgerhaushalt wert sei und in der fogenden Diskussion müsse man offen klären, was die Politik bereit sei, für die Nachbesserung noch auszugeben.
 
Klein-Ridder gab zu bedenken, dass sich die Bürgerschaft vielleicht überhaupt nicht mehr beteiligen werde, wenn der Bürgerhaushalt nicht fortgesetzt werde. Ostermann verwies darauf, dass Beteiligung immer auch ein längerer Prozess sein müsse, dafür sei die Startphase schon sehr gut gelaufen.

Ob der Bürgerhaushalt zu mehr Demokratie beigetragen habe, war ein eigener Diskussionspunkt. Hier standen sich Bürger und Politiker in einer Grundsatzdiskussion gegenüber, die nicht nur in der Stadt Gütersloh geführt wird. Bürger fordern mehr Beteiligung, Politik verweist auf die vielen Möglichkeiten, die es schon gibt. „Warum sitzen so Wenige auf der Tribüne, wenn es um Politik in der eigenen Stadt geht?“, warfen Kalley und Krause ein. „Man muss den Bürger mitnehmen und neue Formen einführen,“ so ein Zuhörer dagegen. Ein Punkt der Debatte war die traditionelle Politikvermittlung, die durch das Internet und seine Möglichkeiten heute überholt scheint. Zumindest hier hat der Bürgerhaushalt die Erwartungen eingelöst: Die Beteiligung am Onlineverfahren war mit 1.700 Nutzern deutlich höher als die Zahl der Zuhörerschaft im alten Format bei der Podiumsdiskussion.




Mehr dazu unter:
www. Demokratie.wagen.org
www.Bürgerhaushalt-mitreden.mitgestalten.de


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