Gastbeitrag von Dr. Ole Wintermann, siehe auch: Blog - Globaler Wandel
Zur aktuellen Diskussion um Onlineverfahren als Demokratietransportmittel in der Stadt Gütersloh darf ich freundlicherweise folgenden Gastbeitrag von Dr. Ole Wintermann posten. Der Inhalt passt ganz besonders zur Replik der CDU-Fraktion zum Bürgerhaushalt:
In vielen (insbesondere IT-) Unternehmen spielen sich zur Zeit in Folge internetgestützter neuer Informations- und Kommunikationskanäle Veränderungen in den tradierten Steuerungsprozessen ab bzw. deuten sich an, die einen innovativen Eindruck davon vermitteln, wohin sich politische Steuerung in Zukunft entwickeln könnte. Sowohl große Unternehmen als auch die Parteien sehen sich mit dem Internet einer Kommunikationsplattform gegenüber, die ihr eigenes Selbstverständnis zunehmend in Frage stellt. Kurz gefasst geht es dabei im Außenverhältnis um die Verlagerung von Interpretationshoheit und Steuerungskompetenz vom Anbieter zum Nachfrager von Dienstleistungen und Produkten. Im Binnenverhältnis versagen Intransparenz als impliziter Bestandteil pyramidialer Prozesssteuerung und formale Zuständigkeiten zunehmend als bisherige Instrumente der internen Steuerung großer Institutionen (eine umfassendere Aufzählung der Veränderungen findet sich u.a. in der aktuellen Studie meiner Kollegin Tina Dörffer).
Ausgehend von den wichtigsten Begrifflichkeiten eines Leadership 2.0-Systems in großen Unternehmen wären für die Politik und die Parteien vor dem Hintergrund der Erfahrungen in 2010 mit #S21 und den Castor-Transporten folgende Änderungen vielleicht eine Überlegung wert:
a) Parteien geben ihren Anspruch der Interpretationshoheit von politischen Sachverhalten gegenüber dem Bürger bzw. den Parteimitgliedern auf. Zunehmende Informationsvielfalt (oder genauer: Vielfalt der Perspektiven) relativiert die parteibezogene Interpretation eines Sachverhaltes. Es war dem Bürger bspw. kaum zu vermitteln, dass das Gesetz zum Schutz der Nichtraucher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgelegt und von den Parteien in wechselnden Konstellationen befürwortet oder abgelehnt wurde. Nichtraucherschutz hat keine Parteifarbe. Der Versuch der politischen Akteure, die föderale Vielfalt in dieser Frage sachlich zu rechtfertigen, war am Ende sogar kontraproduktiv.
b) Parteien leben zukünftig Transparenz vor. Das vom SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach der letzten Bundestagswahl in die Diskussion eingebrachte Strategiepapier wie auch das jetzt aktuell vom wirtschaftspolitischen Experten der SPD-Bundestagsfraktion, Garrelt Duin, vorgebrachte Positionspapier sind in ihren Ursprüngen leider nicht zurück zu verfolgen und damit in der Intention nicht nachvollziehbar. (Dieselbe Problematik offenbart sich natürlich auch bei internen Papieren aller anderen Parteien) Und: Nicht nur die Parteimitglieder wünschen sich letztlich mehr Transparenz über das Zustandekommen von Entscheidungen, die weite Teile der Bevölkerung betreffen.
c) Offenheit im politischen Prozess ist keine Schwäche sondern eine Stärke. Offenheit bringt die Einbeziehung vieler Meinungen und Ideen mit sich. Wer offen und transparent handelt zeigt, dass er konsistent handelt. Nur Inkonsistenz fürchtet die Offenheit von institutionellen Prozessen.
d) Parteien müssen erkennen, dass sich die traditionellen Partei-Cleavages zu einem großen Teil überlebt haben. S21 und die Castorproteste führen wertkonservative CDU-Wähler und wirtschaftskritische Protestbewegungen zusammen, da Nachhaltigkeit (in diesem Fall) sowohl grün als auch schwarz sein kann.
e) Relevanz wird zunehmend durch das Internet und weniger durch traditionelle Medien und PR-Kampagnen zugeschrieben. Der Wettbewerb der Bewerber um das Präsidentenamt Joachim Gauck und Christian Wulff hat deutlich gemacht, dass die Zuschreibung von Relevanz (für das Amt) zukünftig nicht mehr durch intransparente Hinterzimmerentscheidungen erfolgen kann.
f) Kompetenzmacht obsiegt zunehmend gegenüber der Funktionsmacht. In der durch das Internet zugeschriebenen Relevanz ist die inhaltliche Zuständigkeit konsistenter und glaubwürdiger als der Vorsitz eines Gremiums (wobei sich Beides gegenseitig natürlich nicht ausschließen muss).
g) Die Zuschreibung von Kompetenzmacht erfolgt fallbezogen, wechselt kurzfristig Issue-bezogen von Partei zu Partei und steht damit in einem gewissen Widerspruch zu den langen Legislaturperioden.
Nicht jeder der vorgenannten Punkte ist neu! Jeder Punkt gewinnt jedoch im Einzelnen durch die Bedeutung des Internets und von sozialen Netzwerken an Relevanz für zukünftige politische Steuerungsprozesse.
Ausgehend von den wichtigsten Begrifflichkeiten eines Leadership 2.0-Systems in großen Unternehmen wären für die Politik und die Parteien vor dem Hintergrund der Erfahrungen in 2010 mit #S21 und den Castor-Transporten folgende Änderungen vielleicht eine Überlegung wert:
a) Parteien geben ihren Anspruch der Interpretationshoheit von politischen Sachverhalten gegenüber dem Bürger bzw. den Parteimitgliedern auf. Zunehmende Informationsvielfalt (oder genauer: Vielfalt der Perspektiven) relativiert die parteibezogene Interpretation eines Sachverhaltes. Es war dem Bürger bspw. kaum zu vermitteln, dass das Gesetz zum Schutz der Nichtraucher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgelegt und von den Parteien in wechselnden Konstellationen befürwortet oder abgelehnt wurde. Nichtraucherschutz hat keine Parteifarbe. Der Versuch der politischen Akteure, die föderale Vielfalt in dieser Frage sachlich zu rechtfertigen, war am Ende sogar kontraproduktiv.
b) Parteien leben zukünftig Transparenz vor. Das vom SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach der letzten Bundestagswahl in die Diskussion eingebrachte Strategiepapier wie auch das jetzt aktuell vom wirtschaftspolitischen Experten der SPD-Bundestagsfraktion, Garrelt Duin, vorgebrachte Positionspapier sind in ihren Ursprüngen leider nicht zurück zu verfolgen und damit in der Intention nicht nachvollziehbar. (Dieselbe Problematik offenbart sich natürlich auch bei internen Papieren aller anderen Parteien) Und: Nicht nur die Parteimitglieder wünschen sich letztlich mehr Transparenz über das Zustandekommen von Entscheidungen, die weite Teile der Bevölkerung betreffen.
c) Offenheit im politischen Prozess ist keine Schwäche sondern eine Stärke. Offenheit bringt die Einbeziehung vieler Meinungen und Ideen mit sich. Wer offen und transparent handelt zeigt, dass er konsistent handelt. Nur Inkonsistenz fürchtet die Offenheit von institutionellen Prozessen.
d) Parteien müssen erkennen, dass sich die traditionellen Partei-Cleavages zu einem großen Teil überlebt haben. S21 und die Castorproteste führen wertkonservative CDU-Wähler und wirtschaftskritische Protestbewegungen zusammen, da Nachhaltigkeit (in diesem Fall) sowohl grün als auch schwarz sein kann.
e) Relevanz wird zunehmend durch das Internet und weniger durch traditionelle Medien und PR-Kampagnen zugeschrieben. Der Wettbewerb der Bewerber um das Präsidentenamt Joachim Gauck und Christian Wulff hat deutlich gemacht, dass die Zuschreibung von Relevanz (für das Amt) zukünftig nicht mehr durch intransparente Hinterzimmerentscheidungen erfolgen kann.
f) Kompetenzmacht obsiegt zunehmend gegenüber der Funktionsmacht. In der durch das Internet zugeschriebenen Relevanz ist die inhaltliche Zuständigkeit konsistenter und glaubwürdiger als der Vorsitz eines Gremiums (wobei sich Beides gegenseitig natürlich nicht ausschließen muss).
g) Die Zuschreibung von Kompetenzmacht erfolgt fallbezogen, wechselt kurzfristig Issue-bezogen von Partei zu Partei und steht damit in einem gewissen Widerspruch zu den langen Legislaturperioden.
Nicht jeder der vorgenannten Punkte ist neu! Jeder Punkt gewinnt jedoch im Einzelnen durch die Bedeutung des Internets und von sozialen Netzwerken an Relevanz für zukünftige politische Steuerungsprozesse.