Mittwoch, 4. Mai 2011

Erfolgreicher Bürgerhaushalt? Heute: Demokratieeinstellungen


Wie erfolgreich war das Verfahren zum Bürgerhaushalt?
Eine Analyse anhand eines Kriterienkatalogs

HEUTE: 
Kriterium 10 (von14) Anschlussfähigkeit
Der Bürgerhaushalt zeigt in sofern Anschlussfähigkeit, als dass er grundsätzlich im kommenden Jahr wiederholt durchgeführt werden kann: Das technische Tool ist vorhanden und bezahlt. Es gilt lediglich wieder einen Moderator einzukaufen, der den Prozess kompetent begleitet. Dieses sollte auch in Zukunft nicht durch die Mitarbeiter der Verwaltung geleistet werden, da dies die Inhalte und Transparenz in Frage stellen könnte.
Zudem ist man mittlerweile eingespielt und hat mögliche Verbesserungen erarbeitet, die es in der zweiten Runde einzupflegen gilt. Bisher gibt es generell wenig Ansätze zur regelgebundenen Implementierung solcher Onlineverfahren zur Partizipation in Kommunen. (Siehe den 4. Statusbericht vom 12.4.2011 zu den Bürgerhaushalten in Deutschland von der BpB) Der Gütersloher Bürgerhaushalt hat hier viele neue Aspekte in der Praxistauglichkeit eines solchen Verfahrens aufgezeigt, die es generell erleichtern können, in Folge eine solche Implementierung zu ermöglichen.

Zu beachten gilt es auch, dass die Online-Plattform auch zwischen den Bürgerhaushaltsverfahren nutzbar ist: Hierauf können zur Abstimmung oder zur Diskussion stehende Anliegen wie Großprojekte oder aber Themen wie Bildungsfragen abgelichtet und mit der Bitte um ein Bürgervotum an die Allgemeinheit gerichtet werden.

Kritisch: Die Frage der Anonymität ist dabei sicher eine der zentralen Fragen, die über die Zukunft des Bürgerhaushaltes entscheiden wird. Dabei gilt es sicherzustellen, dass im Zuge dieser eigenen Diskussion die Möglichkeiten der Internetbeteiligung nicht anachronistisch betrachtet werden, derart, dass Onlineverfahren kaum in die Tradition bisheriger Politikvermittlung eingebettet werden können, sondern eigenen Regeln des Netzes unterliegen. Zudem ist darauf zu achten, dass Anonymität in der Beteiligung nicht zu einer a priori Kriminalisierung dieses Beteiligungsform diskreditiert werden darf. Die Argumentation zur Beibehaltung der Anonymität findet sich gesondert auf der Seite „Demokratie wagen Gütersloh“. Wie auch immer sich die Beteiligten aus Politik und Verwaltung dazu verhalten werden, die Beibehaltung der Anonymität ist entscheidend für die Akzeptanz sowie die Beteiligungsquote in allen weiteren Runden eines folgenden Bürgerhaushaltverfahrens. Note: gut (plus)

Kriterium 11 (von 14) Erhöhung der Demokratieeinstellung
Ob es im Rahmen des Bürgerhaushaltsverfahrens zu einer Erhöhung der Demokratieeinstellung gekommen ist, bleibt bisher ungeklärt. Diese Frage kann lediglich „gefühlt“ beantwortet werden. Zumindest ist es gelungen, die Bürgerschaft der Stadt für den komplexen Bereich des Stadthaushaltes zu sensibilisieren. Die Verschuldungsquote sowie die drohenden Einschnitte im Alltag einer Kommune, die für jeden spürbar werden, hat sicher einiges dazu beigetragen, dass dem städtischen Zahlenwerk mehr Aufmerksamkeit zuteil wurde. Ferner ist ein breiter Diskurs in der Stadt angestossen worden, der alle Schichten und alle Bewohner angesprochen und fakultativ einbezogen hat. Zudem hat er auch die Interaktion innerhalb der Bürgerschaft ermöglicht, wofür es in der Regel sonst kein Format gibt. Ferner hat der Bürgerhaushalt deutlich gemacht, dass Formen der direkten Bürgerbeteiligung nicht ein Entweder-Oder verursachen, sondern auf das Konto einer Sowohl-als-auch-Politik einzahlen, also ein probates Begleitinstrument ist, um Bürgerschaft frühzeitig einzubinden und am Prozess zu beteiligen.

Problematisch war allerdings, dass zu wenig Bewerbung in den Schulen betrieben worden ist. Hier sollte bereits im Vorfeld eine Strategie entwickelt werden, wie die Schulen sich über den Bürgerhaushalt informieren können – und wie Beteiligung auch der Jugendlichen ermöglicht werden kann. Gleiches gilt auch für die Verbesserung der Bürgerkompetenz, was eigentlich Kommunalpolitik leisten muss, nimmt sie ihren Auftrag ernst, an der Willensbildung mitzuwirken. Hier muss deutlicher vermittelt werden, welche Möglichkeiten der Einflussnahme es gibt. Beklagen die Parteien den Fakt, es gebe große Inkompetenz der Bürgerschaft, hat sie hier offensichtlich zu wenig und offensichtlich ineffektiv entgegengewirkt. Parteipolitische Veranstaltungen oder spezifische Informationen zu Haushaltsfragen oder moderne Onlineinformationen gab es nur vereinzelt. Note: befriedigend

Nervig, diese Bürger!

Kriterium 12 (von 14) Nachhaltigkeit
Ob der Bürgerhaushalt Nachhaltigkeit in seinem Wirken erzeugen kann, bleibt abzuwarten. Anhand der Zahl der beschlossenen Vorschläge zeigt sich allerdings, dass ein Teil der Ideen in den politischen Alltag eingeflossen ist und Wirkung erzeugen kann - wenn denn deren Inhalte nicht im laufenden Politikgeschäft verpuffen. Manche Vorschläge werden sicher erst in der Länge ihre Wirkung erzeugen. Was das Verfahren an sich angeht, sind mit dem Bürgerhaushalt qualitativ sehr hohe Maßstäbe gesetzt. Ab jetzt steht sicher in Zukunft immer öfter die Frage im Raum, wie weit Bürger beteiligt werden – die Frage, ob sie überhaupt beteiligt werden, steht dabei außer Frage, denn einmal erreichte Beteiligungsformate kann man kaum wieder ins Nichts „abwickeln“ ohne Protest zu ernten. Am Ende könnte das Onlineverfahren dazu führen, dass Gütersloh sich generell zu einer „Bürgerkommune“ entwickelt, die sich eine eigene Demokratiebilanz gibt und Beteiligungsverfahren als festen Bestandteil in das kommunale Dasein implementiert. Die Krönung eines solchen Verfahrens wäre etwa ein flexibles Budget, über welches die Bürgerschaft z.B. stadtteilbezogen selbst bestimmt und entscheidet, in welches Projekt das Geld fließen soll. (Zukunftsmusik). Note: befriedigend

 Morgen: Effizienz und Zufriedenheit

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