Dienstag, 8. März 2011

Der Rentenbescheid

Eine satirische Betrachtung zum Weltfrauentag am 8. März

Noch bin ich keine Rentnerin. 23 Jahre trennen mich noch von einem solchen Dasein. Gut dass ich diesmal kein Mann bin, dann wären es zwei Winter mehr. Trotzdem sieht sich der Deutsche Rentenversicherer Bund bemüßigt, mir dieser Tage wie schon einmal im Vorjahr meine persönliche Rentenhochrechnung per Post ins Haus zu schicken. Wie allen versicherten, berufstätigen Bürgern dieses Landes gleichfalls, nehme ich an. Wie hoch wohl die Portokosten dafür ausgefallen sind und aus welcher Kasse werden die bezahlt?

Der Inhalt des Briefes zeigt sich knapp und informativ, dennoch ist ein warnender Zeigefinger durch die Zeilen zu erkennen: Würde ich in dem Maße weiterzahlen wie bisher, bekäme ich 2030 gerade einmal xx Euro Rente im Monat. So das Rechenexempel der Profis. Du musst privat vorsorgen, wenn Du im Alter überleben willst, schießt es mir durch den Kopf während ich aus dem Bürostress kommend mir noch den Mantel ausziehe und gleichzeitig die Einkäufe im Kühlschrank verstaue. Mit diesem Gedanken lege ich das Schreiben mit der noch freien Hand auf den Stapel unerledigter Lebensverwaltung.

Die Wirkung der Rentenbotschaft allerdings setzt unvermittel und etwas später ein, ein Wirkungsgrad wie eine bittere Pille mit Langzeitwirkung. Renteneintritt mit 65. Bis zum Jahr 2030 waren es nur noch 23 Sommerurlaube, 23 Weihnachtsfeste. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass schon 42 davon hinter einem lagen und diese Zeit verdammt schnell um war, zum größten Teil sogar beitragsfrei. Die Ausbildung und die Erziehungszeit für ein Kind fallen da kaum ins Gewicht. Und nach den verbleibenden 23 Jahren stehen am Ende magere xx Euro. Wie hoch war gleich die Inflationsrate, die Steigungsrate der Lebenshaltungskosten? Hatten die Stadtwerke nicht letzte Woche schriftlich höhere Energiepreise angemeldet? Und den Zapfhahn ließ ich beim letzten Tanken genau dann ausrasten, als die 20 Euro aufleuchteten, mehr war diese Woche nicht drin. Ein Liter für einen Euro fünfundfünfzig.

xx Euro - ein beunruhigender Hungerlohn für die Fleißarbeit, die Ausbildung, der Erziehungsanspruch und der tägliche Überlebenskampf, die schon hinter einem lagen. So langsam dämmerte mir die Schieflage der Gesellschaftspolitik: Als alleinerziehende Mutter mit einem 12-jährigen Sohn war ich ja schon heute finanziell nicht auf Rosen gebettet. Und dabei begann alles doch so hoffnungsvoll: Abitur. Mädchen sind ja schulisch immer besser als Jungs. Eine Ausbildung mit Abschluss. Ein Hochschulstudium, mit vorzeigbarerer Semesteranzahl, nämlich zehn inklusive bestandener Magisterprüfung und einer gleichzeitigen Aushilfstätigkeit, um ab und zu ein gutes Buch auf dem Nachttisch liegen zu haben - und zeitgleich Praxisbezug im Lebenslauf herzustellen. Dann der erste Einstieg ins Berufsleben, natürlich befristet. Und kurz darauf das erste Kind. Dann der Bruch im Leben. Kennen ja viele: Scheidung, Patchwork, neue Lebensentwürfe und so weiter. Willkommen im Land der Alleinerziehenden. Wie war das noch gleich, Frau Ministerin? Wir wollen die Familien im Lande wieder in den Mittelpunkt stellen? Blöd nur, dass dabei so viele Alleinerziehende noch mehr an den Tellerrand der Nation verschoben wurden. Komischer Denkansatz bei der belegbaren Scheidungsrate. 

Wie durch ein Wunder ergab sich die Möglichkeit der Teilzeitarbeit im studierten Fachgebiet. Aber eben nur Teilzeit. Was wiederum überhaupt ein guter Grund war, damals einen Kindergartenplatz zu bekommen. Der auch schon seiner Zeit nicht ganz billig war. Und wenn man dann in einem Betrieb erstmal als Teilzeit geparkt ist, bleibt man an eben dieser Parkuhr stehen. Alleinerziehend: Da drohen dauernd kranke Kinder am Horizont, das Verlassen des Büros mit fliegenden Fahnen und zwangsweiser Telearbeit bei maximal 10 Tagen Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Wie das mit der Beförderung geht, kann man sich immer gerne bei den männlichen Kollegen ansehen. Damit man weiß zum mindest theoretisch, wie das im Prinzip laufen könnte. Teilzeit übersetzt in den Alltag bedeutet Sparen, wenig Zeit, selten Teilhabe und Schmalhans Küchenmeister. Wir kochen nicht mit dem goldenen Löffel, sondern mit dem Taschenrechner. Miete, Nebenkosten, Kindergarten, Hort. Kleidung. Schuhe. Ach ja. Für was man alles Schuhe braucht, wird einem erst mit Kindern klar: Hausschuhe, Winterschuhe, Sandalen, Turnschuhe – weiße Sohle für drinnen, schwarze für draußen – und diese selbstverständlich stets in passender Größe, mindestens dreimal im Jahr. Warum vergeben die Schuhhersteller eigentlich keine Langzeitabonnements? Das wäre mal Kundenbindung. 
 
Ein Segen – es kommt zum Teilzeiteinkommen noch das üppige Kindergeld von 184 Euro für das erste Kind hinzu. Mein Kind wird später sicher keine Lust haben, sich dann auch noch um die alte Mutter zu kümmern, geschweige denn, sie mit ins Eigenheim zu nehmen. Und ein Altenheim müsste auch bezahlbar sein.

Mir kommt ein rettender Gedanke: Im Baumarkt neulich, da standen draußen ganz großartige kleine Blockhäuser. Mit einem Eingang und immerhin zwei Fenstern. Wenn ich frühzeitig, also heute (!) in solch ein Haus investieren würde, könnte ich später darin wohnen. Und vielleicht die Stadt fragen, ob sie nicht einen Stellplatz auf einer öffentlichen Wiese für diese Frauen-Häuser (das nenne ich mal einen moderenen Transfer von Sprachgebrauch!) ausweisen möchte. Die Anschlussgebühren wären dann schon in den Tagen der Berufstätigkeit zu entrichten und schlagen beim Renteneintritt nicht mehr zu Buche. Also diese Vorstellung beruhigt mich. Das hat Perspektive – vielleicht sollte ich diese Idee gegen ein Honorar an die zahlreichen Baumarktketten in Deutschland verkaufen? Und zum Weltfrauentag gibt es dann schon mal Rabatt auf das künftige Eigenheim. Dann kann mich auch so ein Schreiben vom Deutschen Rentenversicherer nicht mehr umhauen.

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