Kürzlich war ich mal wieder auf Reisen. Unterwegs in Sachen Integration in Deutschland. Ich kurvte über die Autobahn und war gedanklich schon bei meinem nächsten Gespräch. Es ging um mögliche andere Begrifflichkeiten für den Terminus "Menschen mit Migrationshintergrund". Eigentlich ein politisch korrekter Begriff. Immerhin um Längen besser noch als "Gastarbeiter", "Ausländer" - "Zuwanderer" war auch schon grenzwertig. Aber die Sprache entwickelt sich mit der Lebenswirklichkeit in einem Land. Und so fragen wir uns seit einiger Zeit, ob es nicht doch noch bessere Begriffe gibt. Zur Zeit finden wir "Neudeutsche" ziemlich gut.
Allerdings ist uns im Team auch damit noch flau im Magen. Es geht eigentlich nicht um neue Begriffe, sondern darum, diese Begriffe mit positiven Bildern zu füllen. Positive Erfahrungen jedes Einzelnen mit Integration sollen zum Tragen kommen und das Bild bestimmen. Das ist ja auch schon da, wie auch eine letzte Umfrage der Bertelsmann Stiftung dazu ergeben hat: 68 Prozent der Befragten geben an, sie haben eher positive persönliche Erfahrungen mit Zuwanderen in Deutschland gemacht. Und: Deutschlands stärkster Nutzen durch Zuwanderung entstehe durch die Öffnung für verschiedene Kulturen.
Es kommt also nicht darauf an, was bei "Menschen mit Migrationshintergrund" drauf steht, sondern auf das, was "drin" steckt. Zu diesem Ergebnis kommen auch die Befragten im Netz, deren Meinung ich kürzlich dazu in facebook "Zukunft der Integration" erbeten hatte. Einheitlicher Tenor: Wir brauchen keine neuen Worte. Wir brauchen gelebte Integration.
Diese Meinung teile ich, teilt das Team Integration. Wir sind trotzdem auf der Suche. Deshalb fahre ich ja auch durchs Land. Wie gesagt, ich sitze immer noch in meinem Auto. Dann muss ich mich konzentrieren, denn ich bin in Bremen, meinem Ziel, angekommen. Nach Auskunft des Hotels soll es ganz leicht sein, dieses zu finden, es liege im Herzen der Stadt, einen Steinwurf von der Weser entfernt. Ich solle den Schildern der "Hotelroute" folgen.
Was ich auch brav tue. Nur als ich zum dritten Mal an der gleichen Stelle vorbei fahre und mir sicher bin, dass ich um den Bürgerpark herumgurke und die Weser weit weg ist, reicht es mir. Entnervt steuere ich die nächste Tankstelle an und will dort nach dem Weg fragen, oder mir einen Stadtplan kaufen. Schon ziemlich genervt betrete ich den Kassenraum und erkläre dem schwedischen (!!!) Tankwart, wo ich hinwill, es aber nicht finden kann. Er bleibt ruhig und versucht mir in einer Mischung aus deutsch und englisch - er ist noch nicht lange in Deutschland - nahezu legen, wo ich herfahren muss. Ganz schön oft links und rechts abbiegen - ich frage ihn nun doch nach einer Karte. Da spricht mich jemand an, der hinter mir steht: "Ich fahre in die gleiche Richtung. Ich bin Bremer und kenne mich aus, fahren Sie doch einfach hinter mir her..." Ich drehe mich um, völlig erfreut über diesen Vorschlag - und vor mir steht ein: Mensch aus Indien. Mit Turban.
"Ich bin Bremer..." hatte er gesagt. Und was ich sehe, ist eindeutig ein "Mensch mit Migrationshintergrund". Wir lächeln uns an, ich nehme das Angebot an und folge seinem Golf mit HB-Kennzeichen für die weltoffene Hansestadt Bremen. Nach sieben Minuten Fahrt durch die Stadt stehe ich direkt vor meinem Hotel. Mein Bremer steigt aus seinem Gefährt, ich steige auch aus und bedanke mich mit Handschlag. Wir wünschen uns einen schönen Tag und er fährt davon.
Im Hotel angelangt, begrüßt mich eine Afrikanerin am Empfang. "Willkommen bei uns in Bremen", sagt sie freundlich. Ich grinse breit. Ja, wir sind Bremer. Das ist es eigentlich - der Inhalt für "Menschen mit Migrationshintergrund". Wir sind Bremer. Wir sind Aachener. Wir sind eine Gesellschaft. Wir sind "Wir in Deutschland". Hört sich pathetisch an, funktioniert aber. Danke, Bremen.
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