Samstag, 20. November 2010

Erstritten und nicht geschenkt: Bürgerhaushalt in GT

Sehr geehrter Herr Gödecker,

mit großem Interesse habe ich heute Ihren Kommentar zum Bürgerhaushalt gelesen. Sie lassen ja keinen Zweifel daran, dass Sie diese Form der Partizipation untauglich finden. Die Überschrift, es handele sich um eine „Späte Einsicht“, spricht Bände, wie auch Ihre einseitigen Fragen an die Kämmerin Frau Lang im Interview. Doch der Bürgerhaushalt ist nicht vom Himmel gefallen. Und  er ist auch nicht auf Wohlwollen von Politik und Verwaltung eingerichtet worden - sondern wurde hart erstritten. Das aber schreiben Sie leider nicht. Schade. Vielleicht wären Sie zu einem anderen Schluss gekommen, wenn Sie auf den echten Werdegang des Bürgerhaushaltes geschaut hätten – dafür hat nämlich die Bürgerinitiative eineinhalb Jahre hart hingearbeitet. Der Impuls wurde bereits Anfang 2009 gesetzt. Schon im Mai 2009 zog dann das geplante Bürgerbegehren immerhin fast 2.800 Unterschriften nach sich: Alles Gütersloher Bürgerinnen und Bürger, die für den Bürgerhaushalt gestimmt haben. Und es wären noch mehr geworden. Doch die Kommunalpolitik sprang kurz vor den Wahlen auf den Zug  - und machte den Bürgerhaushalt kurzerhand herzlos aber populistisch zur eigenen Sache.

Das hat der Initiative aber nicht den Wind aus den Segeln genommen. Im Gegenteil. Hinter den Kulissen haben wir stets am Enstehen des Bürgerhaushaltes mitgearbeitet. Durch unser Engagement und auch durch die zahlreichen Anfragen an den Rat ist es gelungen, eine „Schmalspurversion“ zu vermeiden, in der nur Sparvorschläge gemacht werden können. Das aktuelle Format des Bürgerhaushaltes bietet hier sehr viel mehr Raum für Konstruktives, Wertungen und Diskussion. Ein Novum in der Stadt.
(Wie viel Engagement hier hineingeflossen ist, können sie auf unserer Homepage nachlesen: http://www.demokratie-wagen.org/)

Kennt man die Tradition der Beteiligung in Gütersloh, ist es schon eine große Errungenschaft, dass nach langem Engagement endlich auch etwas Reales auf die Beine gestellt wurde. Auch die Proteste der Schülerinnen und Schüler gegen die Streichung der Schulbibliotheken hat die Sache der Beteiligung befeuert. Wann hat es das mal in Gütersloh gegeben: Tausende vor dem Rathaus mit dem Votum, die Zukunft der Jugend nicht zu verspielen? Fragen, die direkt mit dem städtischen Haushalt verbunden sind. Im Bürgerhaushalt können sich nun auch Kinder und Jugendliche beteiligen. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Ein erstrittenes Gut, kein Geschenk.

Ihren Unmut über das vorliegende Ergebnis nehme ich zur Kenntnis. Allein mir fehlt Ihr Lösungsansatz - meckern allein gilt nicht. Dabei läge dieser doch gerade in Ihren Händen so nahe: Als 4. Staatsgewalt, also als Medienmann, könnten Sie vermehrt kritische Beiträge zur partizipativen Kultur in der Stadt leisten. Berichten Sie doch einfach stärker über die politischen Prozesse, über Aktive außerhalb der Parteien, aber auch über die Arbeit in den kommunalen Ausschüssen und im Rat. Diese wichtigen Informationen durch die Lokalpresse tragen sicher sehr deutlich dazu bei, dass Bürgerbeteiligung nicht „zu spät“ kommt, dass Bürgerbeteiligung fundiert und frühzeitig einsetzen kann. Wie das geht, sehen wir ja bestens etwa in der Lobbyarbeit für Hunde durch Frau Isringhausen und auch durch die Berichterstattung über stadtteilbezogene Schützenfeste. Dieses Prinzip gelingt garantiert genauso gut für die Lust an und die Wiederbelebung von Beteiligung der Bürgerschaft. Dafür bedarf es allerdings der frühen Erkenntnis einer Lokalredaktion darüber, wie wichtig konkrete Information über das poltische Geschehen einer Stadt ist. Und Sie sind ja sogar Chef der größten Lokalzeitung im Ort.

Sollten Sie nun das Thema weiter vertiefen wollen, stehe ich Ihnen gerne jederzeit zum Austausch zu Verfügung. Oder noch besser: Entdecken und fragen Sie mal die vielen anderen Aktiven in der Stadt. Es sind nicht nur 200. Die haben garantiert viele Antworten auf Ihre Fragen zur gelungenen Beteiligung.

Mit vielen Grüßen

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